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Reziprokes Lehren: Unterschied zwischen den Versionen

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==Faktorenbeschreibung==
 
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====Definition gemäss von Hattie genutzten Meta-Analysen====
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Reziprokes Lehren umfasst ein Bündel von Lesestrategien, die zum Textverstehen beitragen und auf dem Prinzip von „Lernen durch Lehren“ aufbauen.  <br>
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Reziprokes Lehren zeigt exemplarisch, wie ein Bündel von vier aufeinander abgestimmten Lesestrategien wirken kann: Jeder Abschnitt eines anspruchsvollen Texts wird mit den vier Lesestrategien Zusammenfassen, Fragen stellen, Klären von Textschwierigkeiten und Voraussagen des Inhalts bearbeitet. Jede Strategie ist auf einer Karte notiert. Ziel ist, dass die SuS die Abfolge dieser wirkungsvollen Lernstrategien beim Lesen flüssig und autonom anwenden [[Einüben und Erinnern]].
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In einer ersten Phase modelliert die Lehrperson am konkreten Text jede Strategie mit unterschiedlichen Varianten. Sie lädt die SuS ein, denselben Abschnitt zu bearbeiten. Nach kurzer Zeit über-gibt sie das ganze Strategiebündel einer/einem SoS, die/der nun ihren/seinen Mitlernenden den Strategieeinsatz ‚lehrend‘ mit diesem Lerngerüst ([[Scaffolding]]) vermittelt und sie ermutigt, weitere Beispiele einzubringen.  <br>
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SuS werden durch das wiederholte Modelllernen an den Beispielen der Lehrperson bzw. der Peers unterstützt, die Lesestrategien zu verinnerlichen und zunehmend autonom anzuwenden [[Transfer-Strategien]]. Zudem verbessern die Co-Lehrenden ihre [[Metakognitive Strategien|metakognitiven Strategien]] und ihre Motivation steigt (Wild/Möller, 2020, S. 177). Sie werden in der Funktion als Co-Lehrende bestärkt (Pauli/Reusser, 2000) [[Peer-Tutoring]]; [[Selbstwirksamkeits-Überzeugung]]. <br>
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Seit geraumer Zeit wird reziprokes Lehren u. a. auch zum Textverstehen von biologischen oder physikalischen Aufgabenstellungen erfolgreich eingesetzt. Ein analoger Beitrag zum eigenen Lernerfolg lehrender SuS kann auch für weniger stark strukturierte Lehr-/Lernarrangements vermutet werden (z. B. Präsentationen zu einem Unterrichtsthema). Es liegen dazu jedoch keine Metaanalysen vor. <br>
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Reziprokes Lehren folgt dem Prinzip von Lernen durch Lehren. Dieses basiert auf Theorien zum selbstregulierten Lernen. Leistungsschwächere SuS profitieren überproportional vom Lernen durch Lehren und reziprokes Lehren (Helmke, 2021, S. 212).
  
(Rosenshine/Meister 1994,''siehe'' Hattie 2013, S. 240ff)
 
  
Unterrichtsmethode, bei welcher Lernenden kognitive Strategien beigebracht werden, die zu verbesserten Lern-[[Outcomes]] führen sollen (ursprünglich im Bereich Leseverständnis). Die Betonung liegt darauf, dass Lehrpersonen den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, zu lernen und dabei kognitive Strategien (wie Zusammenfassen, [[Fragenstellen]], Erklären und Voraussagen) zu verwenden. Diese Strategien werden „unterstützt durch den Dialog zwischen der Lehrperson und den Lernenden, während sie versuchen, den Sinn eines Textes zu verstehen" (Rosenshine & Meister, 1994, S.479). Jede bzw. jeder Lernende ist einmal an der Reihe, die „Lehrperson“ zu sein. Oft lösen sich Lehrpersonen und Lernende beim Führen eines Dialogs über die Abschnitte eines Texts ab. Lernende prüfen ihr eigenes Verständnis des Materials, indem sie Fragen stellen und zusammenfassen. Der Aufbau von [[Scaffolding|Lerngerüsten]] durch Expertinnen und Experten ist entscheidend für die kognitive Entwicklung, da Lernende sich nach wiederholtem [[Modelllernen]] von Zuschauenden in Akteure verwandeln.
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''engl. Originalbegriff'': reciprocal teaching
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''franz. Bezeichnung'': Enseignement réciproque
 
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====Effektstärke in Bezug auf Schülerleistungen====
 
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[[250+|Beywl/Zierer (2018)]]: ''d'' = 0,74 ([[Interpretationshilfe zur Effektstärke]])
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Hattie (2024): ES = 0,74 ; R = 2  ([[Interpretationshilfe zum Robustheitsindex]]) <br>
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Die Effektstärke gemäß aktueller Datenlage in der Visible Learning<sup>TM</sup> Meta<sup>X</sup> Plattform findet sich über den Hyperlink des englischsprachigen Originalbegriffs. [http://www.visiblelearningmetax.com/influences/view/reciprocal_teaching Reciprocal teaching]
  
 
====In diesem Zusammenhang auch interessant====
 
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:Gibt einen guten Überblick über den Forschungsstand. Studien zum reziproken Lehren wurden bisher vor allem im US-amerikanischen Raum durchgeführt.
 
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==Quellen==
 
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* Hattie, John A. C. (2013, S. 240ff): Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von "Visible learning", besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
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*Aeschbacher, Urs (1989): "Reziprokes Lehren. Eine amerikanische Unterrichtsmethode zur Verbesserung des Textverstehens". In: Beiträge zur Lehrerbildung, Jg. 2, S. 194-204.
*Hattie, John A. C. (2014, Anhang C): Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von "Visible learning for Teachers", besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.  
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*Hattie, John A. C. (2024): Visible Learning 2.0. Deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning; The Sequel" (2023). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
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*Helmke, Andreas (2021): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts Franz Emanuel Weinert gewidmet. Aktualisierte 8. Auflage. Hannover: Klett Kallmeyer.
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*Pauli, Christine/Reusser, Kurt (2000): "Zur Rolle der Lehrperson beim kooperativen Lernen". In: Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften, Jg. 22, 3, S. 421-442.
 
*Rosenshine, B./Meister, C. (1994, S.479). Reciprocal teaching: A review of the research. Review of Educational Research, 64(4), 479–530.
 
*Rosenshine, B./Meister, C. (1994, S.479). Reciprocal teaching: A review of the research. Review of Educational Research, 64(4), 479–530.
 
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*Wild, Elke/Möller, Jens (2020): Pädagogische Psychologie. 3rd 2020. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg : Imprint: Springer.
  
 
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Aktuelle Version vom 21. November 2024, 17:19 Uhr

Faktorenbeschreibung

Definition

Reziprokes Lehren umfasst ein Bündel von Lesestrategien, die zum Textverstehen beitragen und auf dem Prinzip von „Lernen durch Lehren“ aufbauen.
Reziprokes Lehren zeigt exemplarisch, wie ein Bündel von vier aufeinander abgestimmten Lesestrategien wirken kann: Jeder Abschnitt eines anspruchsvollen Texts wird mit den vier Lesestrategien Zusammenfassen, Fragen stellen, Klären von Textschwierigkeiten und Voraussagen des Inhalts bearbeitet. Jede Strategie ist auf einer Karte notiert. Ziel ist, dass die SuS die Abfolge dieser wirkungsvollen Lernstrategien beim Lesen flüssig und autonom anwenden Einüben und Erinnern. In einer ersten Phase modelliert die Lehrperson am konkreten Text jede Strategie mit unterschiedlichen Varianten. Sie lädt die SuS ein, denselben Abschnitt zu bearbeiten. Nach kurzer Zeit über-gibt sie das ganze Strategiebündel einer/einem SoS, die/der nun ihren/seinen Mitlernenden den Strategieeinsatz ‚lehrend‘ mit diesem Lerngerüst (Scaffolding) vermittelt und sie ermutigt, weitere Beispiele einzubringen.
SuS werden durch das wiederholte Modelllernen an den Beispielen der Lehrperson bzw. der Peers unterstützt, die Lesestrategien zu verinnerlichen und zunehmend autonom anzuwenden Transfer-Strategien. Zudem verbessern die Co-Lehrenden ihre metakognitiven Strategien und ihre Motivation steigt (Wild/Möller, 2020, S. 177). Sie werden in der Funktion als Co-Lehrende bestärkt (Pauli/Reusser, 2000) Peer-Tutoring; Selbstwirksamkeits-Überzeugung.
Seit geraumer Zeit wird reziprokes Lehren u. a. auch zum Textverstehen von biologischen oder physikalischen Aufgabenstellungen erfolgreich eingesetzt. Ein analoger Beitrag zum eigenen Lernerfolg lehrender SuS kann auch für weniger stark strukturierte Lehr-/Lernarrangements vermutet werden (z. B. Präsentationen zu einem Unterrichtsthema). Es liegen dazu jedoch keine Metaanalysen vor.
Reziprokes Lehren folgt dem Prinzip von Lernen durch Lehren. Dieses basiert auf Theorien zum selbstregulierten Lernen. Leistungsschwächere SuS profitieren überproportional vom Lernen durch Lehren und reziprokes Lehren (Helmke, 2021, S. 212).


engl. Originalbegriff: Reciprocal teaching
franz. Bezeichnung: Enseignement réciproque

Effektstärke in Bezug auf Schülerleistungen

Hattie (2024): ES = 0,74 ; R = 2 (Interpretationshilfe zum Robustheitsindex)

Die Effektstärke gemäß aktueller Datenlage in der Visible LearningTM MetaX Plattform findet sich über den Hyperlink des englischsprachigen Originalbegriffs. Reciprocal teaching

In diesem Zusammenhang auch interessant

Materialien für die Praxis

Weiterführende Literatur und Studien

Weiterführende Literatur

Studien

Ergebnisse
In dieser Studie wurde betrachtet, ob mittels reziproken Lehrens, das mit großem Erfolg in kleinen Fördergruppen, aber bislang kaum im Rahmen des Regelunterrichts eingesetzt wurde, die Lesekompetenz von Schülern der 5. Klasse sowie die Qualität der Anwendung von Lesestrategien gefördert werden kann. Einige der dargelegten Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein solches Trainingsprogramm zu einer Steigerung der Leseflüssigkeit wie des Leseverständnisses führt. Andere beschriebene Resultate wiederum zeigen Einschränkungen der Wirksamkeit und bieten Ansätze für Änderungen im Programmablauf.
Gibt einen guten Überblick über den Forschungsstand. Studien zum reziproken Lehren wurden bisher vor allem im US-amerikanischen Raum durchgeführt.



Quellen

  • Aeschbacher, Urs (1989): "Reziprokes Lehren. Eine amerikanische Unterrichtsmethode zur Verbesserung des Textverstehens". In: Beiträge zur Lehrerbildung, Jg. 2, S. 194-204.
  • Hattie, John A. C. (2024): Visible Learning 2.0. Deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning; The Sequel" (2023). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
  • Helmke, Andreas (2021): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts Franz Emanuel Weinert gewidmet. Aktualisierte 8. Auflage. Hannover: Klett Kallmeyer.
  • Pauli, Christine/Reusser, Kurt (2000): "Zur Rolle der Lehrperson beim kooperativen Lernen". In: Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften, Jg. 22, 3, S. 421-442.
  • Rosenshine, B./Meister, C. (1994, S.479). Reciprocal teaching: A review of the research. Review of Educational Research, 64(4), 479–530.
  • Wild, Elke/Möller, Jens (2020): Pädagogische Psychologie. 3rd 2020. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg : Imprint: Springer.